Putin im O-Ton über die Lage in der Ukraine und die russischen Ziele

Der russische Präsident Putin hat sich mit Pilotinnen und Stewardessen getroffen, um über die Lage der Luftfahrtbranche zu sprechen. Dabei wurde er natürlich auch nach der Ukraine gefragt.


von Anti-Spiegel 5. März 2022

Bei dem Treffen mit weiblichen Mitarbeitern der Luftfahrtbranche, also mit Pilotinnen und Stewardessen, wurde Putin von einer Airbus-Co-Pilotin nach der Lage in der Ukraine, den Gründen für die Militäroperation und den Zielen Russlands gefragt. Ich habe Putins vollständige Antwort übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Ich mache es sehr kurz, muss aber trotzdem, wie man in solchen Fällen sagt, in der ‚Mitte des Feldes‘ beginnen. Ich habe es zu Beginn der Operation gesagt und ich habe darüber gesprochen, bevor die Entscheidung getroffen wurde – eine schwierige Entscheidung, kein Zweifel.

Worum geht es? Es geht darum, dass nach dem verfassungswidrigen Staatsstreich in der Ukraine, der leider von westlichen Ländern aktiv unterstützt wurde… Wozu die Sünden verheimlichen, sie verheimlichen es ja nicht einmal, sie haben offen gesagt, dass sie fünf Milliarden Dollar dafür ausgegeben haben, sie haben auf dem Maidan warme Brötchen verteilt und so weiter. Und dann, anstatt die Situation wieder in den Griff zu bekommen, auch wenn sie außer Kontrolle geraten ist, auch wenn es ein so genannter Exzess der Ausführenden war – es gibt dafür eine juristische Bezeichnung, die bedeutet, man hat das eine geplant und etwas anderes getan -, hätten sie diese Situation wieder in politische Bahnen bringen können und müssen. Das gilt umso mehr, als am Vorabend dieses Staatsstreichs drei Außenminister 2014 nach Kiew gekommen sind und eine Vereinbarung mit der damaligen Regierung unterzeichnet haben und als Garanten für diese Vereinbarungen aufgetreten sind, dass sich die Situation politisch entwickeln würde.

Nein, nichts dergleichen. Sie haben einen Staatsstreich durchgeführt. Sie haben diejenigen unterstützt, die den Staatsstreich durchgeführt haben. Und dann kamen die bekannten Ereignisse auf der Krim und im Südosten der Ukraine, im Donbass, wo die Menschen den Putsch nicht unterstützt haben.

Wie Sie wissen, hat die Krim in einem Referendum beschlossen, in die Russische Föderation zurückzukehren. Natürlich konnten wir das nur unterstützen, zumal sie von Nationalisten und Neofaschisten bedroht wurden. Ich sage jetzt, dass es alle Beweise dafür gibt, dass sie damals Recht hatten.

Und dann, oder fast parallel dazu, begannen die Ereignisse im Donbass. Wozu hat das geführt? Die Menschen, die sich dieser Entwicklung im Ergebnis widersetzt haben, wurden verfolgt, und die Kiewer Regierung begann, in dem Gebiet militärische Operationen durchzuführen. Sie führten zwei groß angelegte militärische Strafaktionen durch, bei denen sie schweres Gerät, Kampfflugzeuge, direkte Angriffe auf Donezk, das Beschießen von Plätzen von oben, Panzer, Flugzeuge und so weiter eingesetzt haben.

Beide Feldzüge scheiterten, sie wurden besiegt. Danach folgte das so genannte Minsker Abkommen, oder das Maßnahmenpaket, wie es offiziell heißt, das den Weg zu einer friedlichen Lösung des Konflikts aufzeigte. Und wir haben versucht, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um diesen Weg einzuschlagen, die territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen und die Interessen der Menschen, die in diesen Gebieten leben, zu schützen.

Und was haben sie gefordert? Elementare Dinge: das Recht, ihre Muttersprache zu sprechen, in diesem Fall Russisch, und innerhalb ihrer Traditionen und Kultur zu leben. Es war nichts Besonderes. Nichts Besonderes.

Nein, Kiew organisierte eine Blockade dieser Gebiete, hat sie vom Bankensystem, der Versorgung mit Lebensmitteln, der Auszahlung von Renten, Sozialleistungen und so weiter abgeschnitten. Es gab ein paar Almosen, aber um diese Leistungen und Renten zu erhalten, musste man die Frontlinie überqueren. (Anm. d. Übers.: Das ist wahr, ich kenne selbst solche Fälle. Im Sommer 2014 hat Kiew die Rentenzahlungen im Donbass eingestellt. Wer Rente bekommen wollte, musste durch die Front in die Ukraine gehen, sich als Flüchtling registrieren, und dann für jede Rentenzahlung wieder durch die Front in die Ukraine gehen, um seine Rente abzuholen)

Wissen Sie, was ich sagen will? Das mag hart klingen, es kam mir gerade in den Sinn, aber dennoch zwingt mich die Situation, diese Dinge zu sagen. Sie sehen selbst, wenn in der einen oder anderen Region streunende Hunde Menschen anfallen und verletzen, und es gibt sogar tödliche Fälle, und dann – und das ist ein gesondertes Problem, mit dem sich die lokalen Behörden befassen müssen – sehen wir, wie man beginnt, diese Tiere zu vergiften, zu töten, zu erschießen. Hören Sie, aber die Menschen im Donbass sind doch keine streunenden Hunde. Im Laufe der Jahre wurden zwischen 13.000 und 14.000 Menschen getötet, über 500 Kinder wurden getötet oder verstümmelt.

Besonders unerträglich ist jedoch, dass der so genannte zivilisierte Westen das all die Jahre nicht bemerkt hat. Hören Sie, acht Jahre!

Außerdem hat die Regierung in Kiew vor kurzem begonnen, direkt und öffentlich zu erklären, dass sie nicht die Absicht hat, dieses Abkommen umzusetzen. Sie sprechen darüber im Fernsehen, im Internet, überall sagen sie öffentlich: „Wir mögen es nicht“, „wir machen das nicht“ Gleichzeitig haben sie Russland immer wieder vorgeworfen, dass wir das Abkommen nicht einhalten. Das ist einfach Unsinn, ein Absurditätentheater: Sie sagen „schwarz“ zu dem, was weiß ist, und „weiß“ zu dem, was schwarz ist.

In letzter Zeit ist es noch schlimmer geworden. Plötzlich haben sie angefangen, darüber zu reden, was sie tun werden, also sie haben schon lange darüber geredet, aber sie fingen an, immer aktiver darüber zu reden, dass die Ukraine in die NATO aufgenommen werden soll. Verstehen Sie, wozu das hätte führen können oder noch führen könnte? Wenn die Ukraine ein NATO-Staat ist, so sind gemäß dem Gründungsvertrag der Organisation alle anderen Mitglieder des Bündnisses verpflichtet, dieses Land im Falle eines militärischen Konflikts zu unterstützen. Niemand außer uns hier erkennt die Krim als russisch an. Sie führen militärische Operationen im Donbass durch, sie werden auch auf die Krim gehen, und dann werden wir mit der gesamten NATO in den Krieg ziehen müssen. Was ist das? Sind die Konsequenzen klar oder nicht? Ich denke, die sind jedem klar.

Jetzt ist die Rede davon, den nuklearen Status zu erlangen, also Atomwaffen zu erwerben. Das können wir nicht ignorieren, zumal wir wissen, wie sich der so genannte Westen gegenüber Russland verhält. (Anm. d. Übers.: Darüber haben westliche Medien kaum berichtet, aber der ukrainische Präsident Selensky hatam Wochende vor der russischen Militäroperation auf der Münchner Sicherheitskonferenz offen angekündigt, dass sein Land Atomwaffen erlangen möchte)

Erstens verfügt die Ukraine noch aus der Sowjetzeit über nukleare Kompetenzen, was die Anreicherung von nuklearem Material angeht, so dass sie in der Lage sein wird, diese Arbeit zu organisieren. Es gibt Raketensysteme, was alleine Juschmasch bedeutet, es hat ballistische Interkontinentalraketen für die Sowjetunion entwickelt. Und da in Übersee helfen sie noch, das zu tun. Und dann werden sie sagen: „Wir erkennen den nuklearen Status nicht an, das haben sie selbst gemacht.“ Sie werden diese Systeme unter ihre Kontrolle bringen, und von dieser Sekunde an wird das Schicksal Russlands ein völlig anderes sein. Denn dann müssen unsere strategischen Gegner nicht einmal mehr ballistische Interkontinentalraketen haben, sie werden uns genau hier im nuklearen Fadenkreuz halten und das war’s.

Wie können wir das alles ignorieren? Das sind absolut reale Bedrohungen, das ist kein weit hergeholter Unsinn. Und unsere Jungs, die jetzt dort kämpfen, lassen ihr Leben – sie kämpfen für unsere Zukunft, für die Zukunft unserer Kinder. Das ist eine absolut offensichtliche Sache.

Und die Leute, die das nicht verstehen wollen, vor allem aus der heutigen Führung, sollten verstehen, dass sie, wenn sie so weitermachen, wie sie es tun – ich habe auch darüber gesprochen -, die Zukunft unserer Staatlichkeit in Frage stellen, und wenn das passiert, werden sie sie auf dem Gewissen haben.

Was geschieht jetzt? Ich habe bereits über die Ziele gesprochen, die wir uns gesetzt haben.

Das erste ist natürlich der Schutz der Menschen im Donbass. Wie? Durch Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine, die einen neutralen Status erhält. Warum? Weil sie der NATO nicht beitreten wird, wenn sie neutral ist. Und es steht in der ukrainische Verfassung, dass sie in die NATO gehen. Verstehen Sie, das haben die in die Verfassung geschrieben!

Was ist Entnazifizierung? Ich habe mit meinen westlichen Kollegen gesprochen, und sie sagen: „Was ist denn, bei Euch gibt es auch Radikale.“ Ja, die gibt es, aber wir haben keine Radikalen in der Regierung. Und jeder gibt zu, dass es sie da in der Regierung gibt. Ja, bei uns gibt es vielleicht ein paar Blödmänner, die irgendwo mit Hakenkreuzen herumlaufen, aber unterstützen wir das auf staatlicher Ebene? Gibt es bei uns Tausende von Menschen, die mit Hakenkreuzen und Fackeln durch unsere Hauptstädte – in Moskau oder in unseren anderen regionalen Hauptstädten - laufen, wie in Deutschland in den 1930er Jahren? Gibt es das etwa bei uns? Da gibt es das und das wird unterstützt. Unterstützen wir etwa diejenigen, die während des Krieges Russen, Juden und Polen getötet haben, machen wir sie zu Helden? Aber da wird das getan. (Anm. d. Übers.: All das, was Putin über die Ukraine sagt, stimmt, ich habe hier einige Beispiele aufgeführt)

Was jetzt geschieht, ist ebenfalls sehr wichtig. Sehen Sie, die haben ausländische Bürger als Geiseln genommen, in Sumy, in Charkiw – mehr als sechstausend junge Menschen, Studenten. Sie haben sie in den Bahnhof getrieben und halten sie seit drei Tagen dort fest. Hören Sie, die halten sie schon seit drei Tagen dort fest! Wir haben es allen gesagt. Wir haben es der derzeitigen Führung der Ukraine gesagt, und sie: „Ja, ja, natürlich, wir tun jetzt alles.“ Wir haben den führenden europäischen Politikern gesagt, und ich persönlich habe es ihnen gesagt, und sie: „Ja, ja, wir üben jetzt Einfluss aus.“ Wir haben dem Generalsekretär der Vereinten Nationen gesagt, und er: „Ja, wir kümmern uns jetzt darum.“ Niemand unternimmt etwas!

(Anm. d. Übers.: Auch das stimmt und das ist auch den westlichen Medien bekannt, denn der Kreml hat über das Telefonat mit Bundeskanzler Scholz berichtet, dass Putin Scholz darüber informiert hat, wie Nazi-Bataillone Zivilisten als menschliche Schutzschilde benutzen, Putin informierte Scholz auch über die Lage der ausländische Studenten. Wäre die Meldung des Kreml unwahr und Putin hätte Scholz das nicht erzählt, hätte das Kanzleramt entsprechend reagiert. Gleiches gilt für das Telefonat mit dem französischen Präsidenten Macron, in dem Putin Macron von indischen Studenten erzählt hat, die in Charkiw von Nazi-Bataillonen als Geiseln genommen haben, und Putin bat Macron, sich für ihre sichere Evakuierung einzusetzen.)

Noch schlechter behandeln sie die Menschen, die sie als ihre eigenen Bürger betrachten. Sie benutzen sie einfach direkt als „menschliche Schutzschilde“

In Mariupol passiert das genau jetzt, während wir hier sprechen. Die Regierung in Kiew hat unsere Soldaten angerufen: „Stellen Sie Korridore für den Auszug der Bürger zur Verfügung“ Natürlich haben unsere Jungs sofort reagiert – sofort! – und sogar die Kampfhandlungen ausgesetzt und geschaut, was vor sich geht. Die lassen niemanden hinaus. Verstehen Sie, was die tun? Die lassen niemanden hinaus, sondern sie benutzen sie als „menschliche Schutzschilde.“ Wer sind ´die? Natürlich, die Neonazis. (Anm. d. Übers.: Auch das ist wahr, die Forderung nach sicheren Korridoren wurde auch von ukrainischen Medien gemeldet, nur hat die Ukraine das dann selbst nicht umgesetzt. Ich habe mittlerweile darüber berichtet, Details finden Sie hier)

Wir registrieren die Anwesenheit von Kämpfern aus dem Nahen Osten und aus einigen europäischen Ländern. Wir wissen es, wir hören sie im Äther. Sie verwenden so genannte Dschihad-Mobile – sie füllen Autos mit Sprengstoff und fahren sie zu den Truppen. Aber sie haben keinen Erfolg und werden keinen Erfolg haben.

Wer sind solche Leute, wenn nicht Neonazis? Durch solche Handlungen zerstören sie ihr Land und ihre Staatlichkeit.

Deshalb ist eine unserer Hauptforderungen die Entmilitarisierung, das heißt, wir helfen den Bürgern, den Bewohnern des Donbass, indem wir den neutralen Status der Ukraine anstreben, indem wir die Entmilitarisierung des Landes anstreben, denn wir müssen klar und deutlich verstehen, welche Waffen wo unter wessen Kontrolle sind.

Hier gibt es verschiedene Optionen, die wir jetzt diskutieren, auch mit Vertretern der Regierung in Kiew während des Verhandlungsprozesses in Weißrussland. Wir danken Präsident Lukaschenko für die Organisation dieser Arbeit und die Unterstützung bei der Durchführung dieser Verhandlungen.

Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch des Verhandlungsteams aus Kiew. Wir hoffen, dass sie positiv darauf reagieren werden.

Ende der Übersetzung